Retomada ist im brasilianischen Kontext eine Bezeichnung für Filmproduktionen ab dem Jahr 1995. In Anlehnung an das portugiesische Verb retomar, welches wiedererlangen oder wieder aufnehmen bedeutet, stellt dies eine Rückbesinnung auf erfolgreiche Filme und Traditionen des brasilianischen Kinos wie dem Cinema Novo der 1950er und 1960er und seiner bekannten Regisseure dar, die jedoch durch die neuen Filme faktisch nicht wieder erreicht werden konnten. Es handelt sich hierbei jedoch um eine selektive Konstruktion der Vergangenheit, die sich in der im Nachhinein geschriebenen Geschichte brasilianscher Filme erkennen lässt. In den retomadas wird weniger versucht soziale Widersprüche aufzuzeigen. Viel mehr rückt das individuelle Erlebnis in den Vordergrund. Intellektuell werden die retomadas als wenig anspruchsvoll oder politisch wahrgenommen, während ihre filmisch-technische Qualität häufig gelobt wird (Pellegrini siehe Bibliographie). Gewalt und Misere dienen an erster Stelle der Unterhaltung, worin vielleicht der Erfolg einiger Filme dieses Genres auch auf dem internationalen Markt liegt. Filme wie Carandiru und Cidade de Deus wurden international rezipiert und erhielten Oscar Nominierungen. Dass der ausländische Zuschauer vor allem ein „cinema social, radical e violento“ bei brasilianischen Produktionen erwartet, bestätigt auch Korfmann, (Universidade Federal do Rio Grande do Sul) im Interview (Siehe Experteninterview). Der Film O Caminho das Nuvens erfüllt diese Erwartungen weniger als beispielsweise Tropa de Elite. Ersterer hat international kaum für Aufsehen gesorgt, während zweiterer einen Berlinale Bären gewann. Filme, die eine größere/andere/internationale Zielgruppe ansprechen sollen, machen sich beliebte Themen wohl auf diesem Wege zu Nutzen. Dies soll nicht als oberflächlich verurteilt werden, sondern näher erläutert werden. Hierzu eignet sich die vertiefende Betrachtung einiger Aspekte, die vor allem die Strukturen in denen Filme produziert werden, fokussieren (Korfmann). Das Cinema Novo war in einem anderen Kontext erfolgreich: die Utopie der politischen Sensibilisierung des Zuschauers und der revolutionäre Ausweg aus gesellschaftlichen Missverhältnissen war in den 1950ern und 1960ern denkbar. Die retomadas hingegen entstanden in anderen gesellschaftlichen und politischen Strukturen (siehe Gesetze zur kulturellen Produktion).

Hinterlasse einen Kommentar